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Waldbaden: die Stress-Bremse vor den Toren der Stadt.
Das Stadtleben ist hektisch. Menschenmassen, Lärm, Verkehr, dazu mehr Grau als Grün. Zum Glück gibt es einen idealen Ort, um der Alltagshektik zu entfliehen: den Wald. Der Weg dorthin ist oft nicht weit, der Eintritt kostenlos. So zieht es viele gestresste Städter auf der Suche nach Ruhe regelmäßig ins Grüne. Aus diesem Bedürfnis heraus ist der Trend des Waldbadens entstanden. Eine Aktivität, die nicht nur für Entspannung sorgt, sondern auch die Gesundheit positiv beeinflusst. Hier beantworten wir die wichtigsten Fragen rund ums Waldbaden.
Waldbaden – dieser Trendbegriff verleiht dem guten alten Waldspaziergang neuen Glanz. Doch dahinter steckt mehr als ein kurzlebiger Lifestyle-Hype. 87 Prozent der Deutschen gehen laut einer Sinus-Umfrage gerne in den Wald, und vielleicht hat der ein oder andere schon einmal Waldbaden ausprobiert. Denn streng genommen, handelt es sich hierbei um kein neues Phänomen. In Japan praktizieren es viele Menschen schon lange. Im Land der aufgehenden Sonne gilt es als wichtiger Bestandteil eines gesunden und achtsamen Lebensstils. Was also verbirgt sich hinter diesem Begriff?
Waldbaden – was ist das?
Wer hat das Waldbaden erfunden?
Das Waldbaden stammt aus Japan. Dort ist es unter dem Begriff „Shinrin Yoku“ bekannt, was so viel bedeutet wie: in der Atmosphäre des Waldes baden oder tief in sie eintauchen. Anders als beim Waldspaziergang ist nicht der Weg das Ziel, sondern die Verweildauer. Spätestens seit den 1980er-Jahren erforschen Wissenschaftler in Japan die Effekte des Waldbadens. Als Gründer der modernen Waldtherapie gilt Qing Li (Buchtipp: „Die wertvolle Medizin des Waldes“). Heute gibt es die Waldtherapie in dem Inselstaat sogar auf Rezept. Und seit 2012 können Mediziner an japanischen Universitäten eine fachärztliche Spezialisierung im Bereich Waldmedizin absolvieren.
Im Hier und Jetzt sein – nicht der Weg ist das Ziel, sondern die Verweildauer im Wald. Studien belegen, dass sich der regelmäßige Aufenthalt in der Natur positiv auf die Gesundheit auswirken kann.
Was bewirkt das Waldbaden?
Das Waldbaden, beziehungsweise die Waldtherapie, ist mittlerweile umfassend wissenschaftlich erforscht worden. Dabei zeigten sich eine Reihe positiver Effekte für das körperliche wie auch das seelische Wohlbefinden. Dazu zählen:
- Verminderung von Stress
- positivere Gefühle durch den Rückgang von Angst, Ärger, Müdigkeit und Traurigkeit
- Anstieg von Aufmerksamkeit und Konzentration
- wohltuende Wirkung der kühlen und feuchten Waldluft auf die Atmungsorgane
- Vermeidung von Bluthochdruck
- tieferer Ruhepuls
- Senkung des Blutzuckerspiegels
Die ursächlichen Faktoren sind vielfältig. Dazu gehören neben der Ruhe im Wald auch der hohe Sauerstoffgehalt der Waldluft. Außerdem kommunizieren die Bäume über Duftstoffe, die sogenannten Terpene, miteinander. Wie ein Experiment von Prof. Qing Li zeigte, stimulieren Terpene im Menschen die natürlichen Killerzellen. Also Zellen, die veränderte Körperzellen erkennen und sie zerstören. Mit dieser Erkenntnis konnte der Wissenschaftler also belegen, dass Waldbaden das Immunsystem stärken kann.
Wo kann man waldbaden?
Da Deutschland zu knapp einem Drittel von Wald bedeckt ist, muss man nicht lange nach geeigneten Orten suchen und hat auch keine lange Anreise. Waldbaden in der Nähe ist also möglich. Allerdings sind ein städtischer Park oder der Autobahnforst ungeeignet. Wer waldbaden möchte, sucht am besten einen Wald aus, der gut von Lärm abgeschirmt ist und in dem nur die natürlichen Geräusche zu hören sind. Außerdem sollte der Wald nicht überlaufen sein, denn andere Menschen können uns beim achtsamen Waldwandeln ablenken. Und: Spätestens, wenn man jeden Baum persönlich kennt, wird es Zeit, sich einen neuen Ort zu suchen. Denn wenn um uns herum alles neu und unbekannt ist, fällt uns das aufmerksame Wahrnehmen leichter.
In der Atmosphäre des Waldes baden und tief in sie eintauchen, sie mit allen Sinnen wahrnehmen. Stehen bleiben und trödeln ist beim Waldbaden erlaubt, sogar erwünscht.
Wie oft und wie lange sollte man waldbaden?
Im Prinzip gibt es keine Obergrenze und auch keine Überdosierung beim Waldbaden. Wer sich mehr als zwei Stunden pro Woche in der Natur aufhält, kann sich über positive Effekte auf Gesundheit und Wohlbefinden freuen – so die Erkenntnis englischer Wissenschaftler. Und es muss kein intensiver Outdoorsport sein, spazieren gehen genügt völlig. Die Probanden der Studie bewegten sich übrigens nicht nur in Wäldern, sondern auch in anderen natürlichen Umgebungen wie etwa am Strand.
Am wichtigsten ist beim Waldbaden eine gewisse Regelmäßigkeit, nur dann sind nachhaltig Ergebnisse möglich. Darüber hinaus sollte man sich genügend Zeit lassen, um mental runterzukommen und vom Alltagsstress abzuschalten. Der hektische Blick auf die Uhr ist während des Waldbadens daher tabu.
Waldbaden – wie geht das?
Die wichtigste Regel beim Waldbaden ist, dass es keine vorgeschriebenen Regeln gibt. Gut ist, was guttut. Dennoch können ein paar Tipps dabei helfen, achtsam im Wald unterwegs zu sein und dadurch zur Ruhe zu kommen. Hier eine kleine Waldbade-Anleitung:
- Alleine baden. Zwar gibt es auch Waldbade-Gruppen, den meisten Menschen fällt es aber leichter, wenn sie nicht von anderen abgelenkt werden und sich unbeobachtet fühlen.
- Handy auslassen. Beim Waldbaden zählen nur das Hier und Jetzt. Jede Ablenkung und jede Störung aus dem hektischen Alltag gilt es zu vermeiden.
- Gedanken lenken. Immer, wenn die Gedanken abschweifen, sollte man sich darauf fokussieren, wieder zurück in den Augenblick zu gelangen. Wer bereits meditiert, ist mit dieser Technik gewiss vertraut.
- Zeit lassen. Waldbaden ist kein Wettlauf, sondern ein Schlendern. Also gerne hier und da stehen bleiben und in den Wald hineinhorchen. Oder auf einen Stein setzen, um das Treiben der Tiere am Waldboden zu beobachten.
- Alle Sinne benutzen. Die Farben und Sonnenstrahlen im Kronendach bewundern. Den Vögeln und dem Wind in den Baumwipfeln zuhören. Das Moos riechen und ganz bewusst die klare Luft einatmen. Den Waldboden spüren, gerne auch mal barfuß, und mit der Hand über eine Baumrinde streichen.
- Neugierig sein. Beim Waldbaden wie ein Kind die Umgebung entdecken: die Ameisen, die Pilze, die Flechten – lauter kleine Wunder der Natur.
- Für Abwechslung sorgen. Wenn das Waldbaden zur Routine wird, fällt es schwer, das Achtsamkeits-Level hochzuhalten. Ein neuer Wald oder eine andere Tageszeit kann hier die Reset-Taste drücken.
Im Prinzip ist Waldbaden nicht schwierig und erfordert keine Ausbildung. Es fällt leichter, wenn man bereits meditiert und/oder ein Achtsamkeits-Seminar besucht hat. Wer mit Techniken dieser Art noch nichts anfangen kann, für den ist ein Waldbade-Kurs ein guter Start. Dort lernt man grundlegende Waldbade-Übungen. Waldbade-Kurse werden von verschiedenen Einrichtungen angeboten, von privaten Coaches bis hin zu Volkshochschulen. Immer größerer Beliebtheit erfreut sich außerdem das Waldbaden mit Hund. Auch hierfür gibt es spezielle Kurse.
Der perfekte Wald fürs Waldbaden ist von Lärm abgeschirmt. Es sollten wirklich nur die Geräusche der Natur zu hören sein, damit das Ausloggen vom hektischen Stadtalltag auch gelingt.
Was kostet Waldbaden?
Wälder kosten keinen Eintritt. Deshalb ist das Waldbaden im Prinzip kostenlos. Auch bei der Ausrüstung kommen keine großen Investitionen auf Waldbade-Novizen zu: Die Outdoor-Schuhe und -Klamotten vom Wandern eignen sich bestens. Und mit etwas wärmerer Kleidung macht das Waldbaden auch im Winter Spaß.
Die Preise für Walbade-Kursen hängen in der Regel von der Gruppengröße ab. Ein einstündiger Schnupperkurs für Einzelpersonen und Kleingruppen kostet etwa 65 Euro, bei größeren Gruppen werden etwa 15 Euro pro Person verlangt.
Was gibt es beim Waldbaden noch zu beachten?
In Deutschland ist das Betreten der Wälder grundsätzlich erlaubt. Doch wie unter Mitmenschen, so sollte man sich auch unter Bäumen rücksichtsvoll verhalten. Aus Rücksicht auf die Natur und die Waldbesitzer*innen sind folgende Tipps zu beachten:
- keinen Müll hinterlassen
- leise sein
- niemals Aufforstungsbereiche betreten
- keine empfindliche Vegetation niedertrampeln
- Waldtiere nicht unnötig aufschrecken
- keine geschützten Pflanzen pflücken
- wenn überhaupt, Waldfrüchte nur maßvoll mitnehmen, für Pilze gibt es in vielen Bundesländern Obergrenzen
- keine Zäune oder Hochsitze mutwillig beschädigen
In speziellen Waldbade-Gruppen treffen sich Gleichgesinnte, um gemeinsam in den Wald zu fahren. Den meisten Menschen fällt es aber leichter, allein im Wald zu baden. Denn unbeobachtet lässt es sich besser entspannen.